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Dernière modification:05.11.04 14:41

Ateliers


Vendredi, 23 janvier 2004, 17h30 - 19h30


WORKSHOP: Geist, Technik, Transhumanismus. Geistige Aspekte der gegenwärtigen Technikentwicklung

Dott. Roland Benedikter
Institut für Ideengeschichte und Demokratieforschung Innsbruck,
Lehrgang Kulturwissenschaften der Universität Innsbruck,
Mitglied des Lehrkörpers des "Laboratorio Freudiano" Mailand
» rolandbenedikter@yahoo.de

Inhalt
Der Workshop stellt erstens die Frage nach der Zukunft des menschlichen Geistes zwischen heutiger Technikentwicklung und "Überwindung des Menschen" im Transhumanismus. Genauer: nach der Zukunft dessen, was man im Rahmen des abendländischen Humanismus das "vorsprachlich Menschliche" in Denken, Fühlen und Wollen genannt hat. Er sucht zweitens nach Hinweisen darauf, was sich mit der gegenwärtigen Technikentwicklung selbst geistig vollzieht.

Anhand praktischer Fallbeispiele, die wir anhand von Videofilmen und Fotos studieren, versuchen wir eine Anschauung von Schlüsselaspekten der aktuellen Vorgänge zu entwickeln. Dabei geht es darum, die verschiedenen im Spiel befindlichen Aspekte, die zum Teil widersprüchliche Entwicklungen für die Zukunft möglich machen, zu einem möglichst integralen Gesamtbild zusammenzufügen.

Im Verlauf des Workshops soll sich durch dieses Verfahren einerseits klären, was heute unter "Geist" verstanden werden kann (der zum Teil zu Recht, zum Teil zu Unrecht diskreditierteste und verdrängteste Begriff der heutigen Universität, auch in der Soziologie). Andererseits soll die Frage thematisiert werden, welche Art Verwandlung das Wirken der ökonomisierten Technik mit ihrem heute erstmaligen Eindringen in Kernbereiche des Menschlichen - wie individuelle Sinnes-Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Denken und Körper - vollzieht, und ob und in welcher Weise diese Verwandlung als ein evolutorisch-geistiger Impuls verstanden werden kann.

Ziel
Es geht um eine gewisse Vertiefung der Technikproblematik. Dabei sollen konkrete Fakten auf ihre Hintergründe und Wirkungen befragt werden, die von der gegenwärtigen Logik von Technik und Wirtschaftskultur meist noch zu wenig beachtet werden. Was geschieht mit dem menschlichen Geist, wenn das Gehirn an einen Computer angeschlossen wird? Was sieht ein Blinder, in dessen Hinterkopf ein Kabel hineinläuft, mit dem seine Hirnrinde an eine Videokamera angeschlossen ist? Und was wird die Zukunft dieser Entwicklung sein?

Das sind Fragen, die bisher noch kaum in wissenschaftlich begründeter Weise studiert werden. Für das Studium dieser Fragen steht auch noch kein angemessenes, meta- und postmaterialistisches Wissenschaftsmodell zur Verfügung. Um diese Fragen nicht nur angemessen beantworten, sondern überhaupt angemessen studieren zu können, ist für die kommenden Jahre und Jahrzehnte daher ein neues, integrales Wissenschaftsmodell nötig, das eine Synthese zwischen nominalistischen (objektiv faktenorientierten) und realistischen (geistig-humanistischen) Ansätzen versucht. Es geht heute entscheidend darum, diese Synthese vor allem auch universitär vorzubereiten und in paradigmatischen Teilen zu realisieren: die Wissensparadigmata zu erweitern und die Anschauungsformen integraler zu machen. Das ist auf keine Ideologie beschränkt, sondern ein notwendigerweise breit anzulegender wissensevolutiver Impuls, der zum Beispiel mit der Integralen Bewegung und mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Ansätzen zu tun hat. In vielen Arbeiten jüngerer WissenschaftlerInnen und Studierender aus Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften ist dieser Impuls eines integraleren Wissenschaftsdenkens zu beobachten.Ihn gilt es aufzugreifen, zu differenzieren und zu entfalten.

Ablauf
Drei Einheiten. Einleitender ausführlicher Vortrag des Leiters. Danach Gespräch, unterstützt durch die Arbeit an kurzen Textauszügen, die ich verteile. Dazu 2 kurze Videofilme (1. über Brut-Experimente an lebendem weiblichem Torso in Bologna, 2. Martin Heidegger über die Technik) sowie einige vergrösserte Fotos von aktuellen Gehirn-/Computer-Verbindungen und prothetischen Experimenten.

Bemerkung
Ich bin nicht nur sehr gerne bereit, sondern ausdrücklich daran interessiert, auf die Erwartungen und Wünsche der TeilnehmerInnen einzugehen. Am besten VOR dem Workshop abstimmen.

Literatur
Als vorbereitende Literatur empfehle ich:
1. Roland Benedikter (Hg.), Postmaterialismus, Band 6 - Die Globalisierung, Passagen Verlag Wien 2003 (Bemerkung: Einer der Autoren des Buches, Nicanor Perlas, erhielt im Oktober den Alternativen Nobelpreis 2003).
2. Roland Benedikter (Hg.), Postmaterialismus, Band 4 - Die Natur, Passagen Verlag Wien 2003.
3. Roland Benedikter (Hg.), Italienische Technikphilosophie für das 21. Jahrhundert, Frommann-Holzboog Verlag, Stuttgart 2002.
4. Roland Benedikter, Wer ist der "rettende Gott"? Das Doppelantlitz der Technik am Beginn des 21. Jahrhunderts, in: Die Drei, 72. Jahrgang, Heft 8-9/2002, Frankfurt am Main 2002, S. 53-74 (siehe auch www.diedrei.org).
5. Roland Benedikter, Begegnung mit dem Vorsitzenden der Ethik-Kommission. Grundmuster ethischen Denkens in der Gegenwart, in: Die Drei, 72. Jahrgang, Heft 11/2002, Frankfurt am Main 2002, S. 48-54.

Von diesen Schriften werden natürlich jeweils nur Auszüge zur Anwendung kommen, denn es geht um Inspiration und Konzentration mit Genuss, nicht Erschöpfung.


WORKSHOP: Existenzerweiterung und Kolonialisierung der Menschen durch Internet

Dr. Friz Vilmar
Professor für Politologie, FU Berlin
» vilmar@zedat.fu-berlin.de

Keine Technik hat in so kurzer Zeit (in 10-20 Jahren) das Leben und die sozialen Handlungsmöglichkeiten (z.B. attac!) der (jüngeren) Menschen in den Industriegesellschaften so radikal verändert..

Eine Arbeitsgruppe ("Workshop") würde ich am Freitag Nachmittag mit einem "Impulsreferat" in Gang zu bringen versuchen, mit folgenden Schwerpunkten:
- Blitzartige Revolutionierung der zwischenmenschlichen und zwischengesellschaftlichen Kommunikation durch Rechner und deren Vernetzung im Internet
- Enorme Erweiterung der Wissensstandes und -zugriffs wie auch der Textproduktion und des internationalen Wissensaustauschs
- enorme Erweiterung der persönlichen Interaktionsmöglichkeiten, nicht zuletzt im erotischen Bereich - gleichzeitig starke Zunahme der ephemeren Kontakte (Chatten etc.)
- exponentiale Steigerung der politischen Mobilisierungsmöglichkeiten per Internet, aber nicht zuletzt auch der demokratiefeindlichen, rechtsradikalen Infiltration - und vor allem der Abhängigkeit der Menschen von monopolistisch sich entwickelnden und beherrschten Technologien (Microsoft), die durch extreme Defekt- und Reparaturanfälligkeit sowie durch "planned obsolescence" (eingebauten Verschleiss, absichtliche "Veralterung") eine schwere Belastung des Budgets der Netzteilnehmer darstellen und die Tendenz einer neuen Zweiklassengesellschaft der Internet-Insider und -Outsider schaffen.

Mein Arbeitsmaterial wären Thesen als vorbereitende Grundlage für prospektive Teilnehmer.
Das Impulsreferat würde nicht nur eine allgemeine Diskussion eröffnen, sondern vor allem Erfahrungsaustausch - evtl. in Kleingruppen - in Gang setzen. Wünschenswert wäre ein kurzes Korreferat (zB. eines/r informierten Studenten/in), in dem ein mit Zahlen unterlegtes Bild dieser technologischen "Explosion" im Kommunikationssystem der Bürger, Studenten, Wissenschaftler, Firmen, Geschäftsleute, Sexdienstleister/innen gegeben wird, auch auf Papier: Wieviel Rechner, Internetanschlüsse, Webseiten 1980 -'90 - '95 - '00, durchschnittliche Ausgaben dafür, monopolistische Entwicklung von Gates, Mail und Internet als Mobilisierungsinstrumente von NGOs und rechtsradikaler Propaganda.

Diese Arbeitsgruppe mit evtl. Kleingruppen würde sicher auch Samstagvormittag weiter tagen müssen, incl. der Zusamenfassung der Kleingruppenergebnisse.


WORKSHOP: Zukunftsprognosen durch genetische Tests Kann unser Erbmaterial Aussagen über die persönliche Zukunft machen?

Rouven Porz
Diplom-Biologe, Institut für Ethik in den Biowissenschaften
c/o Institut für Geschichte und Epistemologie der Medizin
Arbeitsstelle von Prof. Christoph Rehmann-Sutter
» rouven.porz@unibas.ch


Die genetische Diagnostik stellt einen neuen, schnell wachsenden Zweig der molekularbiologischen Medizin dar. Für die betroffenen PatientInnen, die sich dieser Diagnostik unterzogen haben, ergibt sich aus den Testergebnissen oftmals ein "neues molekulares Wissen" über den eigenen Körper (Genetische Tests) oder über das ungeborene Kind (Pränatale Diagnostik).
Dieses neue, molekularbiologische Wissen hat Auswirkungen auf die persönliche Zukunft der einzelnen Betroffenen, da gerade bei präsymptomatischen Tests (Tests zu Krankheiten, die noch gar nicht ausgebrochen sind) statistische Aussagen über das Erkrankungsrisiko des Betroffenen gemacht werden. Hier stellt sich die Frage: Will man seine körperliche Zukunft wissen? Kann man überhaupt anhand des Erbmaterials Aussagen über die persönliche Zukunft machen?

In meinem Workshop möchte ich folgendermassen vorgehen:
1. Theoretische Einführung (20 min):
Ich erkläre, worum es sich bei genetischen Tests handelt und welche dieser gendiagnostischen Massnahmen schon in unseren Alltag Einzug gehalten haben.
2. Praktische Übung (20 min):
Ich präsentiere den Workshop-TeilnehmerInnen kurze Auszüge aus unseren Interviews mit Betroffenen. Diese praktische Arbeit verfolgt zwei Ziele:
a) Die Workshop-TeilnehmerInnen sollen einen praktischen Einblick in die Vor- und Nachteile der Gendiagnostik anhand der Originalinterviews von Betroffenen erhalten.
b) Die Workshop-Teilnehmerinnen sollen anhand der Umgehensweise mit den Interviewtexten einen praktischen Einblick in die Anwendung unserer qualitativen Forschungsmethode erhalten.
3. Diskussion (ethische Fragen) (20min):
Aufbauend auf 2 a) möchte ich mit den Teilnehmenden einige der sich aus den Interviewbeispielen ergebenden Fragen diskutieren.


WORKSHOP: Die Macht der Technik über uns - die soziologische Transformation der Sachzwangthese

Dr. Stefan Kaufmann
Universität Freiburg, Lehrbeauftragter für Soziologie, Universität Basel
» stefan.kaufmann@soziologie.uni-freiburg.de

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs gewinnt der Eindruck, dass technischer Fortschritt ausser Kontrolle geraten sei, dass er sich nach eigenen Gesetzen, sich nach eigener Logik entwickle, an Plausibilität. Unablässig sieht sich die Gesellschaft Sachzwängen ausgesetzt, zu Anpassungsprozessen gezwungen, die kühle Rationalität technischer Welten scheint die Sozialwelt zu überrollen. Technik scheint eine autonome Macht, welche die Gesellschaft beherrscht, das individuelle wie das kollektive Leben dominiert.

Solche generalisierenden Sachzwangthesen sind eine prominente Form, das Verhältnis von Technik und Gesellschaft zu verstehen. Soziologisch reflektiert, greifen solche Thesen aber zu kurz: Man kann nicht von der Technik und der Gesellschaft sprechen, vielmehr hat man es mit vielen unterschiedlichen (technischen) Sachen zu tun, die in vielfältige Handlungszusammenhänge eingelassen sind. Dennoch muss eine Soziologie weder im Dickicht der Empirie versinken, noch auf theoriefähige Aussagen zum Verhältnis von technischer und gesellschaftlicher Dynamik verzichten. Drei grundsätzliche Überlegungen möchte ich vorstellen und an Beispielen erläutern. Erstens gibt es grundlegende, epochemachende technische Innovationen, die mit radikalen gesellschaftlichen Wandlungen einhergehen. Zweitens existieren soziotechnische Interferenzen, d.h. Gesellschaften lernen an ihrer Technik, wie die Sozialwelt zu konstituieren ist - und umgekehrt. Drittens lässt sich Technik als Körper der Gesellschaft begreifen, sie verleiht der Gesellschaft in gewisser Weise materielle Existenz, lässt sich als Härtung sozialer Beziehungen begreifen.

Bemerkung:
Beabsichtigt ist, einen systematischen, theoriegeleiteten Einstieg in die Frage nach dem Verhältnis von Technik und Gesellschaft anzubieten. Die Veranstaltung wird in der traditionellen Form eines Vortrags mit Diskussion ablaufen, da allein der Freitagnachmittag zur Verfügung steht.

Zur Vorbereitung (oder auch Nachbereitung) sei empfohlen:

Winner, Langdon: Autonomous Technology: Technics Out-of-Control as a Theme in Political Thought. Cambridge 1977.
Popitz, Heinrich: Der Aufbruch zur Artifiziellen Gesellschaft. Tübingen 1995. (Darin besonders das Kapitel "Epochen der Technikgeschichte")
Latour, Bruno: Über technische Vermittlung. Philosophie, Soziologie, Genealogie. In: Rammert, Werner (Hg.): Technik und Sozialtheorie. Frankfurt, New York 1998: 29-81.
Joerges, Bernward: Technik, Körper der Gesellschaft. Arbeiten zur Techniksoziologie. Frankfurt/M. 1996