von Adrian Fischer
Les différents
modèles d'intégration en Europe : limites théoriques
et pratiques.
Bilent Kaya
Nach einer Begrüssung durch Prof. Dr. Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny
vom soziologischen Institut Zürich, der selbst auf eine jahrzehntelange
Forschungstätigkeit im Bereich der Migrationssoziologie zurückblicken
kann, hielt Dr. Bilent Kaya vom Schweizerischen Forum für Migrationsforschung
in Neuenburg das Einführungsreferat unter dem Titel "Les différents
modèles de l'intégration en Europe: limites théoriques
et pratiques". Kaya skizzierte dabei drei Integrationsmodelle, ein "modèle
assimilationiste", ein "modèle différentialiste" und ein
"modèle multiculturaliste". Das "modèle assimilationiste",
das insbesondere die französische Integrationspolitik prägt,
ist gekennzeichnet durch eine universalistische, republikanische Konzeption,
welche auf der Idee der Gleichheit der Menschen aufbaut. Entscheidendes
Kriterium sind nicht ethnische oder kulturelle Zugehörigkeiten, sondern
der Ort der Geburt. In Frankreich geborene Zweitgenerationskinder erhalten
die französische Staatsbürgerschaft. Im Gegensatz zum "modèle
assimilationiste" steht das "modèle differentialiste", das in Deutschland
die prägnanteste Ausformulierung und Institutionalisierung fand. Das
deutsche Selbstverständnis einer "Kulturnation" rückt die ethnische
und kulturelle Zugehörigkeit in den Vordergrund. Das "modèle
multiculturaliste" schliesslich, spielte insbesonders in Kanada und Australien
eine beachtliche Rolle und wurde in Europa von den Niederlanden und Schweden
aufgegriffen. Bezüglich der europäischen Entwicklung beobachtet
Kaya einen Prozess der Homogenisierung und Konvergenz, in dem insbesondere
Elemente des "modèle différentialiste" stärker zur Geltung
kommen.
Ohne Frauen läuft wirtschaftlich nichts
- Frauen, der blinde Fleck in der Migrationsforschung
Simone Prodolliet
Der Workshop der Ethnologin Dr. Simone Prodolliet von der Stabstelle
Grundlagen der Caritas Schweiz stand unter dem Titel "Ohne Frauen läuft
wirtschaftlich nichts Frauen, der blinde Fleck in der Migrationsforschung".
Obwohl Frauen in grösserem Umfang migrieren als Männer
bei der Arbeitsmigration liegt ihr Anteil über 50%, bei Wanderungen
bedingt durch Flucht zwischen 70% und 80% sind sie in der Migrationsforschung
lange kaum als eigenständige Akteurinnen betrachtet worden, sondern
zusammen mit den Kindern als Anhängsel, welche den männlichen
"Pionieren" nachziehen oder sie begleiten. Migrationsentscheide werden
meist nicht individuell, sondern innerhalb von Haushaltsverbänden
getroffen. Dabei haben Frauen spezifische Interessen, zu denen etwa die
Lösung von tradierten und institutionalisierten patriachalen Abhängigkeiten
gehört. Diese Differenz zeigt sich auch in Unterschieden bezüglich
der Rückwanderungsfrage. Männer sparen in der Migration häufiger
mit Hinblick auf eine beabsichtigte Rückkehr, während sich Frauen
stärker einrichten und eine Rückkehr hinauszögern. Bei Männern
und Frauen sind jedoch die Motive und Umstände von Migration breit
gestreut, und eine vorschnelle Zusammenfassung der Migrantinnen zu einer
einheitlichen Kategorie ist problematisch. Aus der Makroperspektive ist
die Migration von Frauen durch die Ausweitung der Dienstleistungsökonomie
in den nördlichen Zentren und die Bildung von exportorientierten Industriezentren
und Metropolen in den Drittweltländern, die Organisation des Landbesitzes
in den Auswanderungsländern sowie die geschlechtsspezifische Segregation
der Arbeit nach Geschlecht und Nationalität in den Einwanderungsländern
strukturiert. Dabei zeigt sich, dass in den westlichen Zentrumsländern
bezüglich des Erwerbseinkommens grössere Unterschiede zwischen
den Geschlechtern als zwischen Einheimischen und Ausländerinnen und
Ausländern bestehen.
Integration/Integrationsleitbild in Basel
Rebekka Ehret
Die Ethnologin Dr. Rebekka Ehret stellte in ihrem Workshop das "Basler
Integrationsleitbild" vor, welches sie im Auftrag des Regierungsrates und
in enger Zusammenarbeit mit den verschiedenen lokalen, privaten und öffentlichen
Interessengruppen und Institutionen erarbeitete. Die Präsentation
vermittelte einen interessanten Einblick in einen Prozess, in dem wissenschaftliches
und politisches Arbeiten in einer engen Verbindung stehen. Für die
Übernahme des Auftrags stellte Ehret klare, theoretisch begründete
Voraussetzungen. Diese bilden denn auch die Leitideen, an denen sich die
Basler Integrationspolitik gemäss dem Leitbild orientiert. Erstens
soll Integrationspolitik nicht defizitorientiert erfolgen, sondern sich
an dem "vorhandenen Potential", den Erfahrungen und Kompetenzen der beteiligten
Personen und Gruppierungen orientieren. Zweitens wird Integration als ein
"gesamtgesellschaftliches und gesamtstädtisches Anliegen" verstanden.
Sie öffnet sich für die gesamte Bevölkerung, und richtet
sich nicht bloss an eine vorweg definierte Gruppe, im Stile etwa einer
"AusländerInnenpolitik". Drittens soll der Integrationspolitik ein
"bewusster und sorgsamer Umgang mit Differenz" zugrunde liegen. Soziale
und strukturell bedingte Probleme sollen dabei nicht oberflächlich
durch kulturelle Differenzen erklärt und angegangen und geschlechtsspezifische
Differenzen nicht ausgeblendet werden. Die im Leitbild vorgeschlagenen
Massnahmen beziehen sich auf die Bereiche Bildung und Erwerbsarbeit, Quartierentwicklung,
politische Partizipation und Öffentlichkeitsarbeit. Die Bildung sei
hier herausgegriffen. In der schulischen Bildung wird die Förderung
der Zweisprachigkeit mit Hilfe einer erhöhten Zusammenarbeit der öffentlichen
Schule mit den Lehrerinnen und Lehrern der Kurse in heimatlicher Kultur
und Sprache (HKS) angestrebt. "Sprach- und Kulturbrücken" sollen den
Kindern den Transfer und die Generation von Kenntnissen im wechselnden
Bezug von Erst- und Zweitsprache ermöglichen. Im Bereich der Berufs-
und Erwachsenenbildung wird eine "Fach- und Informationsstelle für
Integrationsbildung" gebildet, welche in Richtung Koordination und Abstimmung
der vielfältigen und teilweise voneinander abgeschotteten Bildungs-
und Qualifikationsangebote arbeitet. Im Bereich der politischen Partizipation
ist das Wahl- und Stimmrecht auf komunaler Ebene für ausländische
Erwachsenen mit der Niederlassungsbewilligung C vorgesehen. Insgesamt war
bei der Präsentation interessant zu sehen, was implizit oder explizit
als Rahmenbedingung dargestellt und problematisiert wird (bzw. kantonale
Steuerunterschiede, Ausbildungsautonomie der Unternehmen), und wo politische
Handlungsmöglichkeiten in welcher Form (Gesetze, Infrastruktur- und
Organisationsleistungen, Informationskampagnen) gesehen werden.
Ausländische Jugendliche der zweiten
Generation in der Schweiz
Anne Juhasz, Eva Mey, Oliver Hämmig
Im Workshop "Ausländische Jugendliche der zweiten Generation in
der Schweiz" wurden unter der Leitung von Anne Juhasz, Eva Mey und Oliver
Hämmig, drei Assistierende des soziologischen Instituts der Uni Zürich,
Fragestellungen und theoretische Ansätze zur Thematik Zweitgenerationsjugendliche
erarbeitet und diskutiert sowie zwei laufende Forschungsprojekte vorgestellt,
von denen im einen mit quantitativen, im anderen mit qualitativen Methoden
gearbeitet wird. Bezüglich der theoretischen Ansätze wurde die
Kulturkonfliktthese, welche Zweitgenerationsjugendliche etwa unter den
Aspekten von "Sozialisationswidersprüchen", "Identitäts-" und
"Loyalitätskonflikten" thematisiert, Ansätzen gegenübergestellt,
welche Ungleichheiten und Marginalisierungs- und Ausschlusspraxen im Bildungssystem,
in der Erwerbsarbeit und bezüglich politischer Rechte zwischen ausländischen
und einheimischen Gruppen ins Zentrum rücken. Struktur und Kultur
stehen - so der Zürcher Ansatz - in einem komplexen Wechselverhältnis,
wobei davon ausgegangen wird, dass der Abbau struktureller Ungleichheiten
Bedingung kultureller Assimilationsprozesse sei. Im quantitativen Forschungsprojekt
werden einerseits Unterschiede (Bildungsabschlüsse, Einstellungen,
Absichten u.a.) zwischen einheimischen und ausländischen Jugendlichen
erfasst und andererseits wird versucht, den Einfluss von "strukturellen"
und "kulturelle Faktoren" zu bestimmen. Bezüglich der zweiten Frage
ergeben sich allerdings Schwierigkeiten in Hinblick auf Kausalitätsannahmen
zwischen "kulturellen Faktoren" und "Einstellungen" wie bspw. Rückkehrabsichten.
Im qualitativen Projekt wurden ausländische und schweizer Jugendliche
in offenen Interviews über ihr "Aufwachsen" befragt, ohne dass ihnen
mitgeteilt wurde, dass sich das Forschungsinteresse auf das Merkmal "ausländische
Zweitgenerationsjugendliche" oder "Schweizer Jugendliche" bezieht. In der
Auswertung der Interviews geht es darum, ob und in welcher Form dieses
Merkmal thematisiert wird, welche Muster der Selbstbeschreibung sich erkennen
lassen.
Massenmedien und Identität.
Fremd- und Eigensemantiken im Lichte massenmedialer Kommunikation
Matthias D. Zurfluh, Andreas Gisler
Eine Auseinandersetzung mit dem Thema "Massenmedien und Identität,
Fremd- und Eigensemantik im Lichte massenmedialer Kommunikation" fand im
Workshop von Matthias D. Zurfluh und Andreas Gisler, einem Studenten und
einem Assistenten der Uni Zürich, mit Hilfe theoretischer Inputs des
symbolischen Interaktionismus Meads Konzept der sozialen Identität,
dem Modell von Rollenidentität und -distanz und der Dezentrierung
von Rollen im Modernisierungsprozess statt. Diese Überlegungen
wurden in einem zweiten Schritt auf eine zuvor erstellte Liste, in der
gemeinsam Typisierungen von "schweizerisch" und "jüdisch" zusammengetragen
wurden, bezogen und in Gruppen diskutiert. "In welchem Verhältnis
stehen individuelle und gesellschaftliche Identität zueinander?",
"Hat die Unterscheidung von 'ich' und die 'anderen' in der heutigen Zeit
der Globalisierung auf nationaler Ebene eine Entsprechung?", welche Rolle
spielen die Medien im Prozess der Selbst- und der Fremdtypisierung? Selbst-
und Fremdtypisierungen und die Widersinnigkeit der Übertragung von
nationaler und religiöser Zugehörigkeit in ein Ingroup-outgroup-Schema
wurden anhand von Auszügen anonymer Briefe an Sigi Feigl, dem Ehrenpräsidenten
der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, dargestellt. Davon seien
zwei Beispiele herausgegriffen. "Ich bewundere Ihre sehr positive Haltung
uns Schweizer Bürgern gegenüber."; "Bei aller Sympathie für
das Jüdische Volk, haben wir absolut kein Verständnis wenn ausgerechnet
ein Jude uns Schweizern sagt, wir sollen das Herz vor den Kassenschrank
stellen."
AusländerInnen und Kriminalität
Manuel Eisner
Im Workshop "AusländerInnen und Kriminalität" von Dr. Manuel
Eisner, Professor an der ETH Zürich, wurde ausgehend von einer präsentierten
Tatverdächtigenstatistik der Zürcher Kantonspolizei, bei welcher
eine prozentuale Zunahme der tatverdächtigen "Ausländer" zwischen
1989 und 1999 ausgewiesen ist, der Frage nachgegangen , wie SozialwissenschaftlerInnen
mit solchen Statistiken, welche auch in die Medien gelangen, umgehen können
respektive sollen. Welche theoretischen Überlegungen, welche Fragestellungen
und zusätzlichen Forschungsaufgaben müssen dazu erarbeiten werden?
Diese Fragen wurde intensiv diskutiert. Das Ziel des Workshopleiters war
nicht eine ergebnisorientierte Präsentation eigener Vorschläge
sondern eine Differenzierung und Sensibilisierung in der Diskussion. |